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​Das Thema Maßabweichungen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit jenem der Maßordnung, da eine eindeutige Zuordnung durch Module die Beschreibung einer Bauwerksgeometrie zwar erlaubt, aufgrund von Fertigungs- und Bautoleranzen jedoch Maßungenauigkeiten nicht zu vermeiden sind. Daher ist es notwendig, für diese Imperfektionen einzelne Grenzmaße, d.h. Toleranzen festzulegen, in deren Bandbreite diese großteils unvermeidbaren Abweichungen für die Beteiligten tolerierbar sind. Maßabweichungen können einerseits induziert sein, also im Rahmen der Fertigung oder Montage in Form von Fertigungsabmaßen, Vermessungsabmaßen oder Montageabmaßen entstehen. Andererseits werden Maßabweichungen auch als inhärent bezeichnet, welche in Form reversibler oder irreversibler Abmaße auftreten. Diese können durch Änderungen der Temperatur und des Feuchtigkeitsgehaltes, durch das Schwinden von Materialien oder elastische und plastische Beanspruchungen entstehen. 

Anmerkung
Dabei wird unter dem Begriff Toleranz aus technischer Sicht die Differenz zwischen dem Größtmaß und dem Kleinstmaß verstanden, d.h. eine zulässige Differenz zwischen einer angestrebten Norm (Soll) und den tatsächlich auftretenden Maßen (Ist).

Toleranzen stellen somit akzeptable, also tolerierbare Maßabweichungen im Bauwesen dar, welche normativ oder vertraglich berücksichtigt werden.​

Neben Toleranzen, welche normativ festgelegt sind, können auch erhöhte Anforderungen an Bauteile und Bauwerke gestellt werden. Diese werden zumeist von den Planenden bzw. den Bauherren aufgrund von Randbedingungen, wie bspw. spezielle Nutzungen, vorgegeben und müssen vertraglich ausverhandelt bzw. überbetrieblich festgelegt werden.​

Toleranzen können grundsätzlich unterschiedlichen Ursachen entstammen. Einerseits entstehen Maßtoleranzen innerhalb einer Fertigung bedingt durch den zugrunde liegenden Fertigungsprozess. Andererseits erfordert die Montage Maßtoleranzen, welche zu den Fertigungstoleranzen addiert werden müssen. Absolute Passgenauigkeit in Form einer nicht vorhandenen Montagetoleranz ist de facto nicht realistisch und daher auch nicht zielführend. Des Weiteren können auch Toleranzen aufgrund der Maße eines Bauwerkes bzw. auch durch die Formänderung von Bauteilen infolge Lasteinwirkung und zeitabhängiger Verformungen entstehen. Die Abweichung eines Bauteils vom geforderten Nennmaß kann stochastischer Natur sein, also als zufälliger Fehler auftreten, welcher unvermeidbar und zumeist nicht korrigierbar ist. Sie kann auch aus einem deterministischen, also systematischen Fehler heraus entstehen, welche durch eine Anpassung der zugrundeliegenden Prozesse vermeidbar und damit korrigierbar wird.

Das nachfolgende Bild zeigt einen Überblick über die Begrifflichkeiten zum Thema Maßtoleranz, welche im Allgemeinen im Bauwesen und an dieser Stelle speziell an einer Bauteilfuge auftreten können.​


Bei speziellen Anforderungen an ein Bauteil und demzufolge geringere Toleranzen stellt sich stets die Frage, inwieweit eine erhöhte Anforderung an die Toleranzen auch wirtschaftlich argumentierbar bleibt. Ab einer bestimmten Genauigkeit erscheint der Aufwand zur Einhaltung der erhöhten Anforderungen so hoch, dass dieser aus finanzieller Sicht schwer zu rechtfertigen ist.

Im Kontext von Ausschreibungen bzw. daraus entstehenden Bauverträgen sind die normativ festgelegten Werte für Toleranzen gemäß dieser Norm auch Vertragsbestandteil, falls dies vertraglich vereinbart wurde. Erfahrungsgemäß erweisen sich zusätzliche, vor allem die Nutzung betreffende Vereinbarungen als sinnvoll.

Zusätzlich zur Maßtoleranz stellt das Thema der Durchbiegung von Tragwerken sowie der möglichen Schwingung von Deckenbauteilen, gleichermaßen wie Trittschallbegrenzungen vornehmlich im Wohnbau oftmals großes Streitpotenzial dar. Durch eine spezifische vertragliche Festlegung zusätzlich zur bzw. in Erweiterung der Norm kann dies oftmals verhindert werden. Dennoch sollte zur Erreichung einer wirtschaftlich vertretbaren Toleranzvereinbarung sinnvollerweise nach dem Grundsatz einer größtmöglichen, aber gleichzeitig auch einer so klein wie unbedingt erforderlichen Toleranz vorgegangen werden.1)


Ebenheitsabweichungen für den Untergrund

Obgleich es zwar aufgrund der Flexibilität des Rohstoffes Holz im Hinblick auf die Verarbeitung scheinbar problemlos möglich ist, Unebenheiten des Untergrundes großteils auszugleichen, erfordert der Holzbau mit seinen im Abbund exakt vorgefertigten Bauteilelementen, erhöhte Maßtoleranzen in Bezug auf die Ebenheiten des Untergrundes. Diese Einbautoleranzen müssen bereits in der Holzbauplanung aber vor allem während der Ausführung des zumeist vorgelagerten Stahlbetonbaus – in Form eines Tiefgeschosses, Sockelgeschosses bzw. Fundamentes – ausreichend berücksichtigt werden. Die aus der ÖNORM DIN 18202 (Anmerkung: nicht mehr gültig) entnommenen Grenzwerte für diese Ebenheitsabweichungen der Flächen von Deckenoberseiten und -unterseiten, von Estrichen, Bodenbelägen, Wänden und Auflagern werden in der folgenden Abbildung zusammengefasst.​ 

 

Hierzu wird speziell für den Holzbau im Rahmen der Werkvertragsnorm ÖNORM B 2215 zusätzlich eine deutlich strengere Regelung, vor allem aufgrund des Einsatzes verfertigter Bauteile, vorgenommen.​

Hinweis zu Toleranzen in ÖNORM B 2215

4.3 vom Auftraggeber zu erbringende Voraussetzungen

unter Pkt. 4.3.2 ist folgende Regelung zu finden

„Hinsichtlich der Toleranzen für die Herstellung des Untergrundes gelten die Bestimmungen gemäß ÖNORM DIN 18202.

Für das Bauen mit vorgefertigten Bauteilen sind die Grenzabweichun-gen für Maße, die Grenzwerte für Winkelabweichungen und die Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen für den Untergrund gemäß ÖNORM DIN 18202 zu halbieren.​

Herstellungsbedingte Liefertoleranzen von Materialien und Vorhaltemaße (konstruktive Zu- oder Abschläge) sind bereits bei der Planung zu berücksichtigen und in diese (Ausführungs-)Toleranzen nicht einrechenbar.“

Diese deutlich schärfere Festlegung in der ÖNORM B 2215 Werkvertragsnorm Holzbauarbeiten hat zur Folge, dass die zulässigen und darin reduzierten Bautoleranzen der Vorgerwerke (meist mineralischer Massivbau im Vorfeld der Ausführung bzw. Montage) zu prüfen und auch rechtlich bzw. vertraglich einzufordern sind.

Zusammengefasst ist neben den Toleranzen für Ebenheitsabweichungen des Untergrundes, den Winkelabweichungen und den Fluchtabweichungen sowie den zugehörigen Messverfahren vor allem das Thema der Produktionstoleranzen von Holzbauteilen von wesentlicher Bedeutung.​

Maßtoleranzen des Bauholzes für tragende Zwecke

Dabei definiert die ÖNORM EN 336 die Maßtoleranzen für tragendes Bauholz wie folgt:

Maßtoleranzklasse 1
Dicken und Breiten ≤ 100 mm:                            [+ 3 mm; - 1 mm]
Dicken und Breiten > 100 mm und ≤ 300 mm   [+ 4 mm; - 2 mm]
Dicken und Breiten > 300 mm:                            [+ 5 mm; - 3 mm]

Maßtoleranzklasse 2
Dicken und Breiten ≤ 100 mm                            [+ 1 mm; - 1 mm]
Dicken und Breiten > 100 mm und ≤ 300 mm  [+ 1,5 mm; - 1,5 mm]
Dicken und Breiten > 300 mm                            [+ 2,0 mm; - 2,0 mm]

Hinweis:

Für die Überschreitung der Längen von Bauholz gibt es allerdings normativ keine Grenzwerte. Eine negative Abweichung der vereinbarten Länge (Verkürzung) ist jedoch gemäß der ÖNORM EN 336 nicht zulässig.​

 

Maßtoleranzen für Brettschichtholz

Die ÖNORM EN 14080 gibt die Maßtoleranzen für Brettschichtholz (BSH) folgendermaßen an:

Breite des Querschnittes

Dicken und Breiten ≤ 100 mm                     [+ 3 mm; - 1 mm]​

Alle Breiten                                                    [+ 2 mm; - 2 mm]

Höhe der Querschnittes
Höhe ≤ 400 mm                                             [+ 4 mm; - 2 mm]
Höhe > 400 mm                                             [+ 1 %; - 0,5 %]

Länge eines geraden Bauteiles
Länge ≤ 2,0 m                                                [+ 2 mm; - 2 mm]
2,0 m < Länge ≤ 20 m                                   [+ 0,1 %; - 0,1 %]
Länge > 20 m                                                 [+ 20 mm; - 20 mm]


Das Thema der Bau- und Produkttoleranzen gewann in den vergangenen Jahren im gesamten Bauwesen eine immer größere Bedeutung, da nicht nur das Thema der Ausführung direkt davon betroffen ist, sondern vor allem die Qualität auch deutlich von den vereinbarten Toleranzen abhängt.

Hinweis Toleranzen/ Grenzwerte:

Oftmals wird durch die ausschließlich normativ eingehaltenen Toleranzen die Nutzung beeinträchtigt, was bei freiwilliger Unterschreitung der normativ geregelten Toleranzen hingegen auch eine Verlängerung der Gewährleistung mit sich bringen kann.

Wesentlich ist jedoch, dass dem Thema Toleranzen bereits in der Ausschreibung erhöhtes Augenmerk geschenkt wird und auch in den Ausschreibungsunterlagen dezidierte Grenzwerte – so sie nicht normativ geregelt sind bzw. diese unterschritten werden sollen – angeführt werden.

Dies gilt vor allem auch für die Themen Schallschutz sowie Verformungen, welche ebenso indirekt durch die Toleranzen in Form von Grenzwerten umschlossen werden.​

Relevante Normen:

ÖNORM B 2215​

ÖNORM ​EN 336​


Weiterführende relevante Informationen:

1) Vgl. KOPPELHUBER, J.: Bauprozessmanagement im Industriellen Holzbau – Ableitung eines Bauprozessmodells zur Prozess- und Ablaufoptimierung im Holzsystembau. S. 170ff

38) MORO, J. L. et al.: Baukonstruktion vom Prinzip zum Detail – Band 1 Grundlagen. S. 70